WENDLINGEN. Aus mehreren Kilometern Entfernung sind die Rauchschwaden über dem Otto-Quartier am Montagabend zu sehen. „Wir haben die Flammen von der B10 aus schon beobachtet“, sagt ein junger Mann, der fassungslos vor der brennenden Industriehalle steht. Das Büro seines Vaters ist im Gebäude nebenan; weit über 100 Feuerwehrleute versuchen, ein Übergreifen der Flammen auf die anderen Gebäude des Industrieparks zu verhindern. „Wir sind eigentlich nur wegen einer Rauchentwicklung alarmiert worden“, sagt der Wendlinger Einsatzleiter Michael Gau. Gegen 21.30 Uhr war der Alarm eingegangen. „In kürzester Zeit stand der komplette Gebäudekomplex in Flammen“, so Gau. Sofort wird die Alarmstufe erhöht. Feuerwehren aus dem gesamten Landkreis Esslingen rücken an, dazu noch Einsatzkräfte aus dem Kreis Reutlingen, aus Stuttgart sowie die Flughafenfeuerwehr Stuttgart. Mit vier Drehleitern versuchen die Feuerwehrleute, die Flammen unter Kontrolle zu bekommen. Auch aus dem Neckar wird Löschwasser gepumpt. Die Situation ist nicht ganz ungefährlich, sagt einer der Feuerwehrleute. „Das komplette Dach brennt. Wir wissen nicht, ob das Gebäude einstürzt.“
Auch der Zugverkehr war beeinträchtigt
Die Straßen rund um das Industriegelände sind abgesperrt, Asche wird zum Teil über viele Kilometer durch die Luft getragen. Vorsichtshalber halten Züge nicht mehr an dem nahegelegenen Wendlinger Bahnhof. Das Inferno hat zahlreiche Schaulustige angelockt, die das neue Holzparkhaus als Aussichtspunkt nutzen. Auch die Brücke über dem Bahnhof wird belagert. Ein Polizeihubschrauber kreist über der Szenerie. Im Minutentakt kommen neue Einsatzkräfte auf das Gelände. Am Ende sind es 185 Feuerwehrleute mit 31 Fahrzeugen. Feuerwehren aus Wendlingen, Esslingen, Stuttgart, Kirchheim, Köngen, Leinfelden-Echterdingen, Nürtingen, Oberboihingen, Plochingen, Reutlingen, Unterensingen und Wernau kämpfen gegen die Flammen. Im Einsatz sind außerdem zahlreiche Kräfte des Rettungsdienstes. Die Polizei ist mit mehreren Streifenwagen vor Ort.
Drohnenpiloten liefern wertvolle Bilder
Auch die Drohnenpiloten der Feuerwehr Kirchheim sind angerückt. Sie liefern wertvolle Bilder aus der Luft, die die Feuerwehrleute an einem großen Bildschirm begutachten. Eine Temperatur von 510 Grad wird an einem Punkt des Gebäudes angezeigt. Einem der Helfer bereitet vor allem eine Ecke des Gebäudes Sorgen. Von dort aus könnten sich die Flammen schnell auf das benachbarte Gebäude ausbreiten.
Es ist klar, dass dieser Einsatz die gesamte Nacht dauern wird. Ab 2.30 Uhr werden einzelne Trupps unter Atemschutz in das Gebäude geschickt, um den Brand von innen zu bekämpfen. Bürgermeister Steffen Weigel ist ebenfalls zum Otto-Quartier gekommen. „Ein Anruf von der Feuerwehr hat es dieses Mal nicht gebraucht. Ich habe den Hubschrauber gehört. Als ich aus dem Fenster geschaut habe, habe ich schon den erleuchteten Himmel gesehen und bin gleich hin.“ Das Wichtigste sei, dass niemand verletzt worden ist, sagt Weigel.
Doch auch die Sorge um die umliegenden denkmalgeschützten Gebäude ist groß. „Besonders beim Spinnerei-Hochbau“, so der Rathauschef. Doch die Feuerwehr kann ein Übergreifen des Feuers verhindern. Bis zum Dienstagmorgen dauern die Löscharbeiten. Gegen 9 Uhr steigen nur noch wenige Rauchschwaden aus der Brandruine auf. Löschschaum auf den Dachziegeln des alten Gebäudes wirkt fast wie Schnee. Einige wenige Feuerwehrangehörige sind noch vor Ort, um die Brandwache zu übernehmen. „Es gibt noch vereinzelte Glutnester, die immer wieder gelöscht werden“, sagt einer der Helfer. Der Blick durch eine Tür der Industriehalle lässt erahnen, wie das Feuer gewütet haben muss. Teile des Daches sind heruntergestürzt, verkohlte Holzbalken liegen herum. Das ganze Ausmaß der Zerstörung wird aber erst von oben sichtbar. Von dem Dach des stillgelegten Gebäudekomplexes ist kaum noch etwas übrig. Die Polizei geht von einem Schaden in Millionenhöhe aus. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen.
Mehrere Brände innerhalb weniger Wochen
Für die Wendlinger Feuerwehrleute war es der dritte Einsatz auf dem Otto-Areal innerhalb kürzester Zeit. Im November sei man zweimal zu kleineren Bränden ausgerückt, sagt Einsatzleiter Gau. Die habe man schnell im Griff gehabt. Zu den Brandursachen könne man nichts sagen. Auch Bürgermeister Weigel wurde über die auffällig häufigen Einsätze auf dem Areal informiert: „Die Feuerwehrleute haben mir mitgeteilt, dass sie sich Sorgen machen, angesichts der Einsätze“, so Weigel. Es sei schwierig, zu kontrollieren, was auf dem großen Gelände passiert. „Zumal es sich um Privatgelände handelt“, sagt der Bürgermeister.
(Quelle: Artikel der Wendlinger Zeitung vom 27.12.2024)
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