WENDLINGEN. Während die meisten Jugendlichen mit dem Erreichen der Volljährigkeit immer noch das eigene Auto verbinden, ist für den Feuerwehrnachwuchs etwas ganz anderes relevant. Zum 18. Geburtstag hat Sarah Walliser, Jung-Feuerwehrfrau bei der Freiwilligen Feuerwehr in Wendlingen, statt des Autoschlüssels den Einsatz-Piepser ausgehändigt bekommen. Die Umstände wollten es, dass Wolfram Walliser nicht nur ihr Vater, sondern auch stellvertretender Kommandant der Wendlinger Feuerwehr ist und somit der Piepser bereits morgens auf dem Geburtstagstisch lag.
Freilich kann nicht jeder bei der Feuerwehr auf diesen glücklichen Umstand verweisen. Die meisten bekommen den Piepser während ihres Dienstes im Feuerwehrhaus vom Kommandanten nach dem 18. Geburtstag ausgehändigt. Und die Urkunde gibt es für alle bei der Hauptversammlung, womit man „in den aktiven Dienst der Feuerwehr offiziell übertritt“, erläutert Wolfram Walliser beim Gespräch mit unserer Zeitung.
Gleich vier Neulinge konnte Kommandant Michael Gau in diesem Januar zur Feuerwehrfrau und Feuerwehrmann befördern. Neben Sarah Walliser (18 Jahre) waren dies Noah Haid und Lilly Reutter, beide ebenfalls 18 sowie Steffen Lepski, als Quereinsteiger. Lepski ist 25 Jahre und seit frühester Jugend aktives Mitglied beim Deutschen Roten Kreuz Wendlingen-Unterensingen. Dort ist er weiterhin Führungskraft, zusätzlich zu seinem neuen Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr Wendlingen.
Doch auch er hat wie die anderen drei, die aus der Jugendfeuerwehr stammen, eine mehrmonatige Grundausbildung durchlaufen müssen, bevor er seinen ersten echten Einsatz bei der Feuerwehr hatte. Zwar kann die Grundausbildung bereits ab dem 17. Lebensjahr begonnen werden, doch erst mit der Volljährigkeit darf man bei Einsätzen wie Brände und Unfälle eingesetzt werden.
Steffen Lepski berichtet im Gespräch, dass er schon früher Interesse an der Feuerwehr hatte. Das DRK und die Feuerwehr in Wendlingen verstünden sich gut. Schlussendlich gab es eine „Initialzündung“, weswegen er die „weiße Blaulichtfraktion“, das DRK, um die „rote“, die Feuerwehr, ergänzt hat. Der „Heilige Vormittag“ (24. Dezember), an dem sich die Kameraden und Kameradinnen der Freiwillige Feuerwehr traditionell im gemütlichen Rahmen treffen, habe für ihn den Ausschlag gegeben. Vorteilhaft ist in seinem Fall, dass er als DRKler diese Erfahrung nun auch bei Rettungsmaßnahmen in der Feuerwehr einbringen könne. So zum Beispiel bei der Koordination von Menschenrettung und technischer Hilfe.
Wer die Grundausbildung absolviert hat (insgesamt 96 Stunden; unter anderem Erste Hilfe, Ausbildung am Sprechfunk, technische Hilfe, Rechte und Pflichten), wird anschließend nicht gleich ins kalte Wasser geschmissen. Jung-Feuerwehrleute werden anfangs als Reserve im Feuerwehrmagazin oder zum Nachrücken eingesetzt. Um niemand zu überfordern, wird man „sukzessive mit kleinen Aufgaben an die Einsätze herangeführt“, erklärt Wolfram Walliser: „Man wächst mit jeder Einsatzerfahrung.“
Auch gibt es nicht immer etwas zu tun, wenn die Feuerwehr alarmiert wird. Wie bei Sarah Walliser oder Noah Haid. Dessen erster Einsatz war ein kleines Feuer außerhalb einer Kirche einen Tag vor Heiligabend. Das Feuer war rasch gelöscht, es gab keinen Sachschaden. Bei Sarahs erstem Einsatz war vermutlich eine Brandmeldeanlage defekt, als die Feuerwehr alarmiert wurde. Nachdem die Feuerwehr sich vom Fehlalarm überzeugt hatte, konnte die Einsatzmannschaft unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Gleich der erste Einsatz war ein Großbrand
Dass es Ausnahmen von der Regel gibt, diese Erfahrung machte Lilly Reutter bei ihrem allerersten Feuerwehreinsatz. Dieser war der Großbrand im Hofgut von Bodelshofen letzten August. Als „spektakulär“ bezeichnet die junge Feuerwehrfrau diesen Einsatz, da war sie gerade 18 geworden. Nur drei Tage vorher hatte die Feuerwehr dort eine Übung durchgeführt. Doch sie und keiner ihrer Kameraden hätten je daran gedacht, dass schon wenige Tage später das Szenario wahr werden würde. Mit weiteren Kameraden war sie bei der Wasserversorgung eingeteilt. Dafür mussten Schläuche von der Lauter bis zum Brandort gelegt werden. Auch bei den Nachlöscharbeiten war sie dabei. Somit war sie insgesamt zehn Stunden am Stück im Einsatz. „Morgens um 6 Uhr war ich im Bett“, sagt sie, und wird diesen ersten Einsatz wohl nie vergessen. „Glücklicherweise war niemand zu Schaden gekommen, weder Mensch noch Tier“, sagt Lilly Reutter, die das Ereignis gut verarbeitet hat. Seit sie neun Jahre alt ist, ist die heutige Augenoptikerin bei der Jugendfeuerwehr. „Es war schon immer mein Wunsch, Menschen zu helfen.“ Vorbild sei ihr Stiefvater, der ebenfalls bei der Freiwilligen Feuerwehr Wendlingen ist. „Bereits als Kind habe ich mit Playmobilfiguren Feuerwehr gespielt.“
Durch ihren Vater sind auch Sarah Walliser und ihr Bruder mit der Feuerwehr aufgewachsen. „Das Thema war in der Familie immer präsent“, sagt die Gymnasiastin, die im nächsten Jahr Abitur schreiben wird. „Aber dazu gezwungen wurden wir nie.“ Mit 13 Jahren habe sie den Wunsch entwickelt, zur Jugendfeuerwehr zu gehen. Mit 15 Jahren war es dann so weit. In der Jugendfeuerwehr gebe es keine Ausbildung im klassischen Sinne, sondern sie sei „ein Mix aus Jugendarbeit und Feuerwehrthemen. Hier überwiegt mehr der Spaßfaktor“, freut sich Wolfram Walliser über aktuell 25 Kinder und Jugendliche in der Wendlinger Jugendfeuerwehr. Und diese Zahl könnte sich in den nächsten Jahren noch steigern. Während früher aus Mangel an Ausbildern noch Kinder abgelehnt werden mussten, habe man nun mehr Kapazitäten für insgesamt 50 Kinder und Jugendliche in vier Gruppen.
Auch Noah Haid hat sich bereits als Kind für die Feuerwehr begeistert. Als er neun Jahre alt war, haben seine Eltern bei der Wendlinger Wehr angefragt, mit zehn wurde er dann endlich in eine Jugendgruppe aufgenommen, weiß Noah, der der erste aus seiner Familie ist, der aktives Mitglied bei der Feuerwehr ist. Aktuell macht er eine Ausbildung zum Mechatroniker. Das Wichtigste ist für ihn die Kameradschaft unter den Feuerwehrleuten. Gegenseitiges Vertrauen. „Wir riskieren unser Leben, da müssen wir uns aufeinander verlassen können.“ Auch ergeben sich private Freundschaften.
Auch gestandene Männer und Frauen können noch zur Feuerwehr
Ihren Nachwuchs generiert die Feuerwehr nicht allein aus der Jugendfeuerwehr oder aus anderen Rettungsorganisationen. Willkommen sind auch gestandene Frauen und Männer, die schon immer den Wunsch gehegt haben, Menschen zu helfen. Man könne auch quereinsteigen, „ohne den Hintergrund einer Blaulichtfraktion zu haben“, macht Wolfram Walliser auch jenen Mut, die sich bereits im fortgeschrittenen Alter befinden. Voraussetzung sei lediglich, dass man die Bereitschaft für Schulungen wie die Grundausbildung und weitere Fortbildungen wie zum Atemschutz oder Truppführer mitbringe.
Was den Zeitfaktor anbelangt, so habe man einen Übungsdienst monatlich für circa zwei bis drei Stunden. Das könne eine Brandübung wie jüngst am Johannesforum sein, aber auch eine Übung an einem Unfallauto. Jeder und jede vor Ort bekommt eine aktive Aufgabe. Hinzu kommen Sonderdienste und weitere Ausbildungen. „Vom Zuschauen allein lernt man normalerweise nichts“, schmunzelt die 18-jährige Lilly mit ihrem leuchtend roten Schopf.
(Quelle: Artikel der Wendlinger Zeitung vom 18.05.2024)