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Feuerwehren aus Wendlingen und Weilheim berichten vom Einsatz im Hochwasser-Katastrophengebiet

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Kameraden der Feuerwehren aus Wendlingen und Weilheim waren in Rheinland-Pfalz, um den Opfern der Hochwasserkatastrophe unter die Arme zu greifen. Herbert Armbruster und Daniel Schmauk berichten vom Einsatz. Bilder vom Einsatz finden Sie in unserer Bilderstrecke.

„Unverzüglich“ – so lautete die Anordnung von Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich, als er am vergangenen Donnerstag Marc Morawski anrief und die Wendlinger Feuerwehr für den Einsatz in Rheinland-Pfalz anforderte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Daniel Schmauk gerade gemütlich aufs Sofa gesetzt. Ein langer Arbeitstag lag hinter ihm, gerade hatte er zu Abend gegessen. Dann klingelte das Handy. „Als ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe, war mir jedoch schon klar: da wird etwas kommen“, erzählt Schmauk.

Morawski brauchte nur eine halbe Stunde, um ein Team für den Hochwasserzug zusammenzustellen. Für wie lange würden die Männer weg sein? Wo genau liegt der Einsatzort? Informationen, die Morawski anfangs gar nicht hatte. „Packt mal für sieben Tage. Und packt einen Schlafsack ein“, empfahl er seinen Männern. Ein guter Tipp war auch, Bargeld einzustecken, denn je nach Einsatzort war nicht sicher, ob man dort überhaupt Geld abheben kann. Schließlich war die Stromversorgung in besonders schlimm betroffenen Orten unterbrochen.

Um 22.30 Uhr machten sich die Männer gemeinsam mit den Kameraden aus Weilheim auf den Weg nach Hermeskeil im Landkreis Trier-Saarburg. In einer ehemaligen Bundeswehrkaserne, dem Sammelpunkt, wurde generalstabsmäßig zunächst die Mannschaftsstärke und die Anzahl der Fahrzeuge erfasst. Da war es 3.15 Uhr. Und keiner der Männer hatte bis dahin auch nur eine Mütze Schlaf gehabt. Als die Formalien erledigt waren, kehrte endlich ein wenig Ruhe ein.

Erster Einsatzort am Freitag war Mesenich. Dort allerdings hatten die örtlichen Feuerwehrleute die Lage schon wieder so weit im Griff, dass die Wendlinger und Weilheimer Floriansjünger ins benachbarte Langsur weitergeschickt wurden. Dort allerdings sah es schlimm aus. Der Ort liegt an der Sauer, dem größten Nebenfluss der Mosel. Hochwasser kennt man in Langsur. Nicht umsonst hat das Land Rheinland-Pfalz vor acht Jahren in der Gemeinde Spundwände einbringen lassen, wie der Wendlinger Herbert Armbruster von einem einheimischen Kameraden erfuhr. Die Spundwände waren allerdings den Wassermassen nicht gewachsen. Auch die drei Meter hohe Spundwand, die ein Anwohner privat setzen ließ, reichte nicht aus, um das Wasser abzuhalten.

In Langsur waren die Wendlinger und Weilheimer nicht die einzigen Schwaben. Der Hochwasserzug des Landkreises Böblingen war ebenfalls da und nach einer kurzen Einweisung durch die Langsurer Feuerwehr konnten die Männer aus dem Neckartal, wie ihre Böblinger Kollegen, mit anpacken. Es galt, Wohnungen und Häuser leerzuräumen, Schlamm hinauszuspritzen und -zuschaufeln und auch, das Wasser aus den Erdgeschosswohnungen abzupumpen. „Die Sauer hat in der Regel einen Pegel von 70 Zentimeter, doch mit dem Regen schwoll sie auf neuneinhalb Meter an“, berichtet Herbert Armbruster. Kein Wunder waren die Erdgeschosse in den Häusern bis zur Decke geflutet. Straßen waren am Freitag noch kaum zu erkennen. Bis zum Samstag hatte sich die Sauer dann mehr und mehr in ihr Bett zurückgezogen. Liegengelassen hatte sie ziemlich viel Geröll.

Dass die Langsurer Feuerwehr den Einsatz nicht alleine stemmen konnte, war klar. Schließlich besteht sie aus lediglich 24 Mann. Etliche der Kameraden waren völlig erschöpft vom Dauereinsatz, als die Wendlinger und Weilheimer ankamen. „Sie waren eindeutig froh, dass Hilfe gekommen war“, berichtete Daniel Schmauk.

Knöcheltief wateten die Feuerwehrleute in den Wohnungen durch Schlamm, um die völlig zerstörten Einrichtungsgegenstände hinauszubringen. Dabei waren sie nicht unter sich. „Die Menschen aus dem Ort kamen mit Schubkarren, Besen, Schaufeln und halfen uns. Das war ein richtig gutes Miteinander“, sagte Armbruster. Er bewunderte auch die örtlichen Feuerwehrleute, die ihren Mitbürgern selbstlos halfen, obwohl viele von ihnen selbst betroffen waren.

Doch es gab auch Menschen, die gar nicht vor Ort waren, als die Wassermassen den Ort heimsuchten. Daniel Schmauk schaufelte Schlamm aus einem Haus, deren Eigentümer gerade im Urlaub weilten. „Ob sie da schon wussten, dass sie alles verloren haben?“, fragte sich der junge Wendlinger. Schließlich, überlegt er, besäßen sie ja nun nur noch das, was sie für die Reise eingepackt hatten. „Die haben wenigstens das. Andere haben nur noch das, was sie am Leib tragen“, wandte Herbert Armbruster ein. Er hatte am ersten Einsatzort in Mesenich eine Familie getroffen, die ihr Haus gerade renoviert hatte. Und schon ist alles wieder zerstört. „Die Frau weinte bitterlich, als wir mit der Familie sprachen“, berichtet Armbruster.

Und dann gibt es auch winzige Momente des Glücks: In Langsur berichtete ihm eine Frau, sie habe das letzte Paar Gummistiefel ergattert. Drei Nummern zu groß zwar, aber egal, Hauptsache Gummistiefel. Die waren auch bitter notwendig. Normale Schuhe waren nicht zu gebrauchen und barfuß durch Wasser und Schlamm zu waten ist nicht ratsam. „Man weiß nicht, auf was man tritt, was das Wasser angeschwemmt hat. Verletzt man sich, kann das böse ausgehen, denn das Wasser ist mit Sicherheit verunreinigt“, erklärt Marc Morawski. Schmutz, Darmbakterien, aber auch Heizöl und Diesel sind ein ungutes Gemisch.

Das Wasser kam in der Nacht und es kam schnell. „In einer Viertelstunde stieg es um 20 Zentimeter“, berichtete Daniel Schmauk. Er probierte aus, wie viel Kraft die Sauer hat und hielt am Freitagabend probeweise seine Schaufel in den Fluss. Er staunte nicht schlecht, als er den Sog der Strömung zu spüren bekam. Sein Respekt vor der Kraft des Wassers ist enorm gestiegen.

Die Spendenbereitschaft der Menschen aus ganz Deutschland nahm schnell Fahrt auf. „Schon am Samstagabend kam der erste Sprinter, randvoll mit Sachspenden“, berichtete Schmauk. Vor Ort waren die Menschen damit überfordert, denn es fehlte natürlich an Lagerfläche. Mittlerweile ist der Nürburgring, die Rennstrecke, die selbst im Krisengebiet im Landkreis Ahrweiler liegt, zum Logistikzentrum umfunktioniert worden.

Für sieben Tage hatten sie gepackt, die Männer aus Wendlingen. Am Samstag jedoch hieß es: Wir fahren nach Hause. Warum? „Das fragen wir uns auch“, sagt Daniel Schmauk. Denn aus eigener Anschauung weiß er: Hilfe ist vor Ort immer noch notwendig. Am Sonntag waren alle 21 Männer wohlbehalten zurück. Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich war gekommen, um sich persönlich bei den Männern zu bedanken. Dank kam auch von Landrat Heinz Eininger und Bürgermeister Steffen Weigel. Marc Morawski hofft unterdessen, dass alle seine Männer den ungewöhnlichen Überlandeinsatz auch gut verkraften. Hilfe anzunehmen, das weiß der erfahrene Feuerwehrmann, ist keine Schande. Und Dekan Paul Magino, dessen Telefonnummer in der Einsatzzentrale der Wendlinger Wehr am Whiteboard notiert ist, ist ein guter Zuhörer.

(Quelle: Artikel der Wendlinger Zeitung vom 22.07.2021)

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