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Training unter Realbedingungen - Feuerwehren üben in der Schweiz für Einsatz am Albvorlandtunnel

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Feuerwehren üben bei einem Lehrgang an der International Fire Academy in der Schweiz für ihren Einsatz am Albvorlandtunnel

Große Aufgaben kommen auf die Feuerwehren rund um den Albvorlandtunnel zu. Sie sind auf der Baustelle und vor allem in dem 8,1 Kilometer langen Tunnel für die Rettung und Feuerbekämpfung zuständig. Um dafür gerüstet zu sein, fuhren 21 Mann der Wehren von Wendlingen, Köngen, Oberboihingen, Dettingen und Kirchheim kürzlich zu einem Lehrgang in die Schweiz.

 

WENDLINGEN/OBERBOIHINGEN/KÖNGEN. Derzeit nutzen die Männer und Frauen der fünf Feuerwehren jede Gelegenheit, um direkt auf dem Gelände der Baustelle des Albvorlandtunnels vor den Toren Wendlingens zu üben. Indes, eine Übung unter realen Bedingungen kann dort nicht abgehalten werden. Daher machten sich also 21 Männer auf, zu einer Übungseinheit in die Schweiz zu fahren. Ins Balsthal im Kanton Solothurn. Dort ist die „International Fire Academy“ ansässig. Sie gilt als europaweit führend, wenn es um die Brandbekämpfung und andere Schadensereignisse in Tunneln geht. „In der Schweiz durchläuft jeder Feuerwehrmann diese Ausbildung. Das gilt dort als Standardausbildung“, erzählt Miroslav Jukic, Wendlingens ehemaliger Kommandant. Gut, in der Schweiz gibt es natürlich viele Tunnel. Darunter auch ziemlich lange. Der Gotthard-Basis-Tunnel beispielsweise ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Und in der Schweiz ist natürlich auch die Erinnerung an den Unfall im rund 16 Kilometer langen Gotthard-Straßentunnel 2001 noch wach. Elf Menschen haben damals ihr Leben verloren, als zwei Lkw frontal zusammenstießen und es zu einem Brand kam.

 

Das Gelände der Fire Academy dürfte in Deutschland seinesgleichen suchen. Auf 36 000 Quadratmetern gibt es Brandhäuser, eine Rauchdurchzündungsanlage, eine Atemschutztrainingsanlage, eine Löschplattform und vor allem gibt es zwei Tunnel, einen für Auto- und einen für Zugverkehr. Denn Brandeinsätze in Tunneln sind eine besondere Herausforderung für Feuerwehren. Ein Einsatz müsse also gut koordiniert werden, berichtet Jukic.

Wo liegen die Herausforderungen? „In Tunnelröhren kann sich Rauch schnell ausbreiten. Fahrzeugbrände sollen also schnellstmöglich gelöscht werden. Des Weiteren müssen die Feuerwehrleute mit dem Suchen und Retten in den verrauchten Tunnelabschnitten beginnen“, erklärte Sebastian Wiest, der ebenfalls für die Wendlinger Wehr teilgenommen hatte.

 

Die Taktik der International Fire Academy sieht vor, einen Tunnelbrand von der Anströmseite, also der Seite auf der der Wind in die Röhre bläst, zu löschen, um die Rauchbildung schnellstmöglich zu unterbinden. So sollen die Bedingungen für das Suchen und Retten auf der anderen Seite des Brandherds verbessert werden. Denn es gilt: Löschen um zu Retten. Steckt ein brennender Zug im Tunnel, ist die Hitzeentwicklung übrigens wesentlich größer als bei brennenden Autos in einem Straßentunnel. „Eigentlich ist ja geplant, dass ein Zug im Schadensfall weiter rollt, bis er den Tunnel verlassen hat. Wenn er weiter rollen kann“, sagt Jukic. Von zwei Seiten angreifen, womöglich lange Reisezüge absuchen, in einem 8,1 Kilometer langen Tunnel wie dem vor den Toren Wendlingens ist der Personalaufwand da nicht zu unterschätzen.

Die Feuerwehren der fünf Kommunen sind eigentlich schon ganz gut ausgestattet, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Indes, Sebastian Wiest erklärt, dass es schon ein gewaltiger Unterschied ist, ob man in einem Tunnel einen Brand löschen muss oder in einem Wohnhaus oder Firmengebäude. Man braucht eine spezielle Ausrüstung. So wird im Tunnel statt mit nur einer Atemluftflasche mit zwei Flaschen gearbeitet. „Zwingend notwendig ist eine Wärmebildkamera, die den Männern und Frauen der Feuerwehren hilft, sich in einem verrauchten Tunnel zu orientieren und sich einen Überblick zu verschaffen“, erklärt Wiest. Auch Taststöcke, ähnlich derer, die Blinde verwenden, kommen zum Einsatz. Eine Rettungstrage mitzuschleppen, das wäre eine große Belastung. Aber das Problem ist gelöst. Denn diese Tragen stehen in jedem Querschlag. Und sie haben Rollen, damit der Abtransport für die Retter nicht zur Qual wird.

 

„Das gute an unserem Tunnel ist, dass er zwei Röhren hat. So kann die nicht vom Unglück betroffene und damit unverrauchte Röhre als Rettungsröhre verwendet werden. Und man kann in diesem Teil des Tunnels nahe an den tatsächlichen Einsatzort fahren und durch den nächstgelegenen Querschlag in den betroffenen Tunnelteil hinüberwechseln“, sagt Wiest. Das Einfahren ist deswegen möglich, weil der Tunnel mit einer festen Fahrbahn ausgestattet wird. Die Schienen werden auf dem Beton befestigt. So könnte beispielsweise auch ein Linienbus in den Tunnel hineinfahren und Reisende evakuieren.

 

„Man konnte auf der Rauchseite die Hand nicht vor Augen sehen“

Sebastian Ludwig

 

Sebastian Ludwig von der Feuerwehr Oberboihingen zeigte sich beeindruckt von der Arbeit im Übungstunnel in Balsthal. „Dort lassen sich viele Situationen nachstellen. Beispielsweise die eines brennenden Zuges. Im Eisenbahntunnel gibt es vier präparierte Waggons, die mit Gas in Brand gesetzt werden können“, erzählt Ludwig. Hier kommt also tatsächlich Feuer ins Spiel. Zu erleben, wo die Rauchgrenze verläuft, zu erleben, dass man auf der einen Seite des Brandherdes bis zum Feuer gelangen konnte, weil der Rauch in die andere Richtung zieht, zu erleben wie es auf der anderen, der verrauchten Seite aussieht, das fand der Oberboihinger spannend. „Man konnte auf der Rauchseite die Hand nicht vor den Augen sehen. Da war die Wärmebildkamera Gold wert“, sagt er.

 

Die Löschung des Waggons sowie die Strukturkühlung der Tunnelröhre fanden die Männer ebenfalls spannend. „Die Tunnelröhre muss gekühlt werden, damit kein Beton abplatzt und die Installationen nicht zur Gefahr werden. Die brennenden Fahrzeuge werden gelöscht, nebenstehende Fahrzeuge gekühlt“, erklärte Sebastian Wiest. Die Hitze lasse das Metall an den tragenden Strukturen des Waggons weich werden. Dadurch könne er sich durchbiegen, bis er „mit dem Bauch“ auf den Gleisen aufliege oder sogar breche. Und wie ist es, in einem Tunnel einem Feuer so nahe zu kommen? „Man merkt es“, sagt Wiest. Doch die Gasflammen, sagt Jukic, werden nicht so heiß, wie die Flammen eines wirklichen Feuers.

 

Die Oberboihinger Wehr ist vor allem auch für die Kleine und später die Große Wendlinger Kurve zuständig – zwei Tunnelbauwerke, die zwar nicht so lang sind wie der Albvorlandtunnel, die aber nur über jeweils eine Röhre verfügen. Wenn es brennt, gibt es also keine unverrauchte Röhre, durch die man sich dem Brandort nähern könnte. Ein Manko ist auch, dass die Oberboihinger Wehr nicht zum Eingang der Kleinen Wendlinger Kurve fahren kann. Das zumindest ist der derzeitige Kenntnisstand. Die Rettungskräfte müssen also außerhalb des Tunnelgeländes parken und ihren Einsatz dort vorbereiten. Auch gibt es keine Wasserleitung wie im Albvorlandtunnel. Das Wasser muss also zum Einsatzort geschafft werden. Mittels Hydranten an der Unterboihinger Straße. Denn am Tunnel selbst gibt es keine. „Unser Ziel ist es, alle Gruppenführer der Oberboihinger Wehr zu diesem Lehrgang zu schicken“, sagt Ludwig. Verständlich.

 

Ist die neue Aufgabe, die nun zum Rettungsdienst auf der Autobahn und der Bundesstraße und der „normalen“ Brandbekämpfung hinzukommt, eine Belastung? Nein, sagen die drei Feuerwehrleute unisono. Diese neue Aufgabe erweitere den Horizont. „Und man kann auch aus der Weiterbildung wieder einiges mitnehmen, das an anderer Stelle nützlich ist.“, sagt Jukic. „Die Ausbildung in der Schweiz war herausragend, sie setzt Maßstäbe. In kurzer Zeit wurde sehr viel Wissen vermittelt. Wir haben so viel gelernt, dass wir nun auch unsere Kameraden schulen können“, sagt Ludwig.

 

(Quelle: Artikel der Wendlinger Zeitung vom 16.01.2021)

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