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„So wahr mir die Narren helfen . . .“

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Nelaufasching auf dem Marktplatz am 20.02.2020

Am 20.02.2020 nahm die Freiwillige Feuerwehr Wendlingen am Nelaufasching auf dem Marktplatz der Stadt Wendlingen teil. Im Rahmen von Brandschutz- und Absperrmaßnahmen sorgten wir für die Sicherheit der feiernden Bürger und Bürgerinnen. Auch bei der anschließenden Faschingsparty des Musikvereins Wendlingen im Treffpunkt Stadtmitte wurde durch die Feuerwehr Wendlingen der Brandschutz sichergestellt.

Bericht:

Am Schmotzigen Doschdig wird der Schultes von den Nelauhexen entmachtet.

Dieses Jahr ist einiges anders: am Donnerstagabend wird der Schultes in einer offenen Sänfte aus dem Rathaus auf den Marktplatz eskortiert. Lauthals wird er dort von einer großen Menge empfangen, vor der er seinen Schwur auf die Narren erneut ablegt, nachdem er im letzten Sommer zum Bürgermeister wiedergewählt worden war.

WENDLINGEN. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm ziehen die Nelauhexen ins Rathaus ein. Dieser kommt von den Rätschen, die die Hexen bei sich tragen. Spätestens jetzt weiß der Bürgermeister, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die erste Hexe sein Dienstzimmer betritt. Auch einige städtische Mitarbeiter haben die Rätschen aus ihren Büros getrieben, in Erwartung, was da kommt. Darunter befindet sich auch der ein oder andere, der sich ein lustiges Hütchen oder ein Elchgeweih auf den Kopf gesetzt hat.

Im schwarzen Zwirn, mit Frack, weißem Hemd, Fliege und Zylinder kommt der Stadtschultheiß, so hießen die Ortsvorsteher in früherer Zeit, den Narren entgegen. Um die Hexen milde zu stimmen, hat der Bürgermeister, gar listig, schon ein paar Schnäpse bereit gestellt. Und schwupp-di-wupp tanzt die erste Hexe auch schon auf dem Tisch. Doch die Narren vergessen nicht, weshalb sie eigentlich gekommen sind und zerren Steffen Weigel zum offenen Fenster im zweiten Geschoss, von wo aus man den Marktplatz im Blick hat und das Publikum schon wartet. Als Zeichen, dass das Rathaus nun gleich von den Nelauhexen in Besitz genommen wird, ruft der Zunftmeister den Wendlinger Bürgern entgegen: „Mir Hexa sind en dem Rothaus jetzt, dr Bürgermoischder hot sich erscht gar ed verschdeckt. Weil fenda dent mir ihn iberall, wenn’s sei muaß, au en seim Narrastall. Dia närrische Tage regierad mir Hexa em Rothaus hier, drom raus aus deim Narrastall jetzt mit dir! Ond gib jetzt endlich den Schlüssel raus, sonscht isch’s mit dr Freindschaft bald aus!“

Über ein gespanntes Seil flitzt der Rathausschlüssel nach unten, wo er von den anderen Nelauhexen in Empfang genommen wird. Damit ist der Schultheiß entmachtet und die Hexen übernehmen das Regiment.

Auf dem Marktplatz geht die Zeremonie weiter: Zeremonienmeister Lothar Schindler von den Wen(U)boi, hat sein bisheriges Häs gegen einen gelb-schwarz karierten Frack mit Zylinder eingetauscht. Damit sieht er noch etwas feiner aus, als die Wen(U)boi ohnehin mit ihrem Häs schon sind, auch wenn ihnen der schwarze Zwirn etwas zu groß ist. Während die Dunkelheit inzwischen hereingebrochen ist, legt Weigel seinen Schwur im Schein des Hexenfeuers ab: „...so wahr mir die Narren helfen“, sagt er zum Schluss, was von den Hexen mit einem dreifachen „Nelau He“ besiegelt wird. (Nelau He ist der Narrenruf der Wendlinger Narrenzunft und steht für Neckar-Lauter-Hexen). Als Ehrenzeichen bekommt er eine goldene Amtskette mit kleinem Besen umgehängt.

Die Hexen recken nun ihre Besen beschwörend zum Himmel, während die Stimmung ihrem Höhepunkt entgegen strebt. Der Wendlinger Hexentanz ist inzwischen legendär. Die Spannung steigt, während imaginäre Geister durch die Luft wabern. Es ist Zeit fürs Narrenhaus. Dort im großen Saal geht die Party mit Live-Musik und Tanz durch den Musikverein Unterboihingen anschließend weiter. Magisch wird das Publikum angezogen und lässt sich mit einer Polonaise fröhlich tänzelnd in die fasnetsgeschmückte Halle lenken. Der Hexenzauber macht auch vor dem kirchlichen Würdenträger nicht halt, der die Polonaise zeitweise sogar anführt.

Einer der Höhepunkte der Fasnetsparty dürfte die Rede des Stadtschultheiß gewesen sein. Zum ersten Mal durfte er im Narrenhaus „schwätze, ond muaß nemme oms Feier hetza...“. Und da brachte er so manches aufs Tapet, was ihm übers Jahr aufgestoßen ist. Facebook, Instagram und Twitter, die kamen dabei nicht gut weg. „Dort jeder bloß des liest was em gfällt, statt alles was isch, egal von wem bschtellt“, brachte er es auf den Narren-Punkt.

Ein bisschen Zeit hat der Schultes sich gelassen, bis er auf die Berichte unserer Zeitung reagierte, die ihn bereits mehrfach als „laaangweilig“ bezeichnet hat, weil er den Hexen den Rathausschlüssel stets freiwillig rausrückt und deswegen eine Gegenwehr vermissen lässt. Am Donnerstag hat er dann zum Konter ausgeholt. „Do soll dia Zeitong no recht vorsichtig sei“, sprach er ins Publikum. „Dia faslet von dr Lebensader dia mr abgschnitte hätt, derbei ischs bloß a Stroß ond von dera lebet mir net.“

Versöhnlich wurde er dann, als er die Bedeutung der Zeitung heraushob: „Aber ganz ehrlich kann I mir a Leba ohne Zeitung net vorstella. I frai mi jeden Morga, wenn a freindlicher Mensch se duat zustella.“ Und weiter: „D’r Kaffee tuat schmecka, d’r Kreislauf kommt en Schwung. I erfahr vieles von do und no meh von dromrom. Aber vor ällem ischs die Wahrheit ond net irgend a Gschwätz. Auf Facebook, Instagram ond Twitter wo’s bloß goht om a Hetz.“

(Quelle: Artikel der Wendlinger Zeitung vom 22.02.2020)

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Fotos: FFW